Jeder spricht davon, daß dieses zweite Semi soviel besser besetzt wäre als das erste - dem kann ich mich eigentlich nicht anschließen. Es hat die ganzen Balladen, die vermeintlich großen Stimmen, und weniger Wagemut als das erste, aber wie ich zu diesen gesungenen Bausparverträgen stehe, habe ich ja schon am Dienstag geschrieben. Lieber etwas wagen, das in die Hose gehen kann, wie bei den Polen, als mir die immer gleiche Eurosuppe vorzusetzen. Und während ich das finnische Lied inzwischen fast auswendig kann (und inzwischen sagen muß, daß es sehr nach der Mollversion von Spannenlanger Hansel, Nudeldicke Dirn klingt), gab es diesmal nichts, was sich so sehr in mein Herz gesetzt hätte, daß mir sein Scheitern oder Weiterkommen große Gefühlsäußerungen entringen würde. Natürlich, hätte man mich diesmal abstimmen lassen, hätte ich auch abgestimmt, vermutlich für die Ukraine, Kroatien und, mehr aus Protest und Anerkennung denn echter Zuneigung, für die Niederlande. Weswegen letztere dann auch prompt ausgeschieden sind.
Die Bühne ist natürlich noch die gleiche wie am Dienstag, aber sie fängt ein bißchen an zu langweilen mit diesen ganzen Blinklichtern - daß dort Laufschrift oder Strichmännchen dargestellt werden sollen, habe ich zwar anderen Blogs entnommen, aber selbst nicht gesehen, statt dessen hatte ich teilweise Mühe, die Interpreten auszumachen. Meine Lieblingsbühne der letzten Jahre war wohl die von 2006, und man kann nicht jedes Jahr einen Knaller landen, vor allem, wenn man auf den Etat schauen muß. Dafür haben wir die angenehmsten Moderatoren seit Jahren, entspannt, aufgeräumt, unaufgeregt, nur die Bekanntgabe der Finalisten hätte man wieder nicht derart in die Länge ziehen müssen, das hasse ich ja auch an Castingshows so, und daß dabei nicht geredet wurde, machte es nicht viel besser.
Als erster Intervalact wurde ein Medley aus Letztplazierten gezeigt, das es aber nicht so genau nahm - da ist zum Beispiel Ping-Pong bei, Drittletzter, Pan, Vorletzter, etc, aber der Wille ist es, der zählt, und hier ist es wohl der Wille, witzig zu sein: Hauptsache bunt, spektakulär und schlechtplaziert und natürlich so viele Norweger wie möglich dabei, man will ja über sich selbst lachen können. Trotzdem, Teilnehmer nachträglich zu Letzten zu machen, ist unfair. Der zweite Intervalact - wohl der eigentliche, denn das Verlierer-Intermezzo war keine drei Minuten lang, mit Mouthmusic-Chor und Breakdancern ist dann ganz nett, aber viel zu lang und doch nicht so spektakulär wie vielleicht geplant - aber es kann auch einfach nicht meine Art von Musik sein, ich hab es nicht so mit Beatboxing, warum muß man das Geräusch eines ICE nachmachen ,wenn man auch einen ICE aufnehmen kann? Die Rahmenhandlung, die Reise eines halbwüchsigen Jungen nach Oslo, erinnert sehr an das Heidi, das sich 1989 durch die Schweiz schleichen durfte, aber der bissige Kommentar des Herrn Gottschalk fehlt dabei, denn der Herr Urban ist zu sehr von dem Spektakel angetan.
Im Greenroom, das Gefühl hatte ich schon am Dienstag, gibt es in diesem Jahr nur Wasser - mein Freund weist darauf hin, daß Norwegen noch höhere Steuern auf Alkohol erhebt als Schweden, das war in Moskau natürlich noch ganz anders - die Interviews sind darum nicht ganz so ulkig wie im vergangenen Jahr, mit einer lobenswerten Ausnahme einer Feminnem-Sängerin, die glaubwürdig erklärt, wann immer sei an ihre Familie denke, wäre ihre Performance großartig. Weiter so, Bescheidenheit hat in der Eurovision nichts verloren, und das Ausscheiden meiner Kroatinnen war auch völlig unverdient.
Wie am Dienstag auch folgen nun meine Einzelkritiken, diesmal live während der Performance getippt, um meinem Freund, der ausgerechnet heute seinen unverschiebbaren Betriebsausflug hatte, hinterher über die Geschehnisse aufklären zu können.
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